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Grußwort zur Eröffnung der Fastenaktion

Fasten mit. Mit Genuss, Zeit und Liebe

15.02.2013 | Bischöfin Kirsten Fehrs
13. Februar 2013 – Christianskirche in Hamburg-Ottensen – Grußwort zur Eröffnung der Fastenaktion "Sieben Wochen mit Produkten aus Fairem Handel und aus der Region"

Liebe Schwestern und Brüder!

Und Jesus spricht: Wenn ihr fastet, sollt Ihr nicht sauer dreinsehen…

Ich erinnere mich noch genau, wie sauer es uns war:Wir saßen mit 15 Frauen – und einem Mann – in hungriger Runde. Redeten, was man eben redet, wenn der Magen knurrt: über Rezepte. Hingebungsvoll. Zugegeben weniger über solche wie sie in dem wunderbaren Begleitheft zur Fastenaktion stehen. Sondern eher überLeib- und Magenspeisen, die ja höchst individuelle Geschmacksvarianten aufweisen – nicht selten noch geeicht von Mutterns Küche. Und also nicht zwingend mit fair gehandelten,allerdings oft regionalen Lebensmitteln.

Und so saßen wir und konnten gar nicht aufhören damit. Kohlrouladen. Coq au vin. Spaghetti mit Pesto. Ein Stück Schwarzbrot mit Butter und Salz. Und echte Dickmilch dazu. Das Wasser lief uns schon im Mund zusammen. Bis eine nüchtern fragte: Noch Kräutertee? Alles stöhnte.

Es war der Abend des zweiten Fastentages. Sieben Tage hatten wir noch vor uns. SiebenTage MIT Gemüsebrühe und Wohlfühltee. Die Aussicht darauf löst Krise aus. Verzichten wollten wir zwar alle – aus den unterschiedlichsten Gründen. Um los zu werden, was uns so schwerfällig macht, körperlich und geistig. Um zur Besinnung zu kommen und sich bewusst zu werden, was einen so treibt. Um Pause zu haben von der gierigen Macht der Gewohnheit. Doch dass das Verzichten mit Hunger verbunden, mit richtig knurrigem Hunger, das stand so jedenfalls nicht in den Fastenbüchern.

Wir hielten durch. Und es wurde aus dem Fasten ohne all die erträumten Leckereien ein Fasten mit - mit neuen Gedanken. Mit Erkenntnissen, die einen wirklich verändert haben. MitGesprächen, die in ihrer Offenheit das Herz anrührten. Mit Klarheit und dem Gefühl, stündlich energiegeladener zu werden. Mir kam es damals so vor, als wäre die Dickfelligkeit, mit der wir uns im Alltag so oft schützen müssen, einer Dünnhäutigkeit gewichen – die durchlässig macht für die Erkenntnis, wie wir uns selbst und anderen manchmal einen Tort antun. Für die Erkenntnis auch, dass wir in der Nachfolge des Gekreuzigten die Verletzung von Leben wahrnehmen müssen, wollen wir sie nicht besinnungslos fortsetzen.

Nach dieser – und anderen Fastenwochen – habe ich besonnener gelebt. Habe fortan wie selbstverständlich ganz anders gegessen und getrunken. Denn das wenige, was der Mensch wirklich braucht – und das ist erstaunlich wenig, liebe Mitfasterinnen – sollte kostbar sein. Gesund. Sorgfältig ausgesucht. Nicht immer so viel. Wir werfen skandalös viel in den Müll –115 kg durchschnittlich im Jahr! Nein: Wenig, aber gut. Auch wenn es kostet. Seinen Preis, den es verdient hat.

Über diesen Preis gibt es im Begleitheft zu dieser Fastenaktion viel zu lernen – und natürlich ist er bei regionalen oder fair gehandelten Produkten höher. Zumindest was das Pekuniäre angeht – ein paar Cent mehr für die regionale Milch oder die fairen Kaffeebohnen dieses Latte Macchiato. Doch was ist das verglichen zu den politischen und klimaschonenden Wirkungen, die ein bewussteres Konsumverhalten nach sich zieht! Das Materialheft zeigt eindrucksvolle Beispiele und macht uns klar: die Welt ist, was sie isst – was wir hier essen, hat Auswirkungen auf Klima, Handel, Gerechtigkeit, Menschenrechte. Jede und jeder hier hat Einfluss darauf, kann also mittun. Und jede und jeder sollte es auch - sonst wird den absoluten Höchstpreis die nächste Generation zahlen.

Das wissen wir alle hier. Dennoch: fastengemäßer Verzicht hört sich erst einmal anstrengend an. Deshalb finde ich an der diesjährigen Fastenaktion „Sieben Wochen mit…“ besonders überzeugend, dass genau dieser Verzicht ins Positive gewendet wird: Indem ich auf Erdbeeren im Winter verzichte, statt dessen regionale und fair gehandelte Produkte kaufe, kann ich sowohl den Hofladen in den Vier- und Marschlanden (und in Dithmarschen) unterstützen als auch Menschen in weit entfernten und ärmeren Teilen der Welt.

„Sieben Wochen mit“ – das heißt: in der konkreten Lebensführung, im Alltag bewusster Verantwortung zu übernehmen. Nicht nur für mich selbst. Sondern global. Die Fastenaktion nämlich erklärt uns zum Teil des Ganzen – und das heißt: das, was wir konsumieren, ist ein Politikum. Nichts weniger. Und das heißt auch: wir können mit helfen, die Welt zu retten! Und zwar ohne erst 137 Mails zu checken. Eher im Gegenteil: zum Fasten gehört auch Konzentration. Die Sorgfalt, auszusuchen. Die Lust, wieder einmal bei sich selbst einzukehren – und die Ruhe, dabei ganz ungestört einen Latte Macchiato zu genießen ...

Fasten mit - mit Genuss, Zeit und Liebe. Was für eine Aussicht! Bleibt mir nun, diese Fastenaktion feierlich zu eröffnen und uns stärkende sieben Wochen „mit“ zu wünschen, abschließend mit Worten zum Leben, wie sie im Römerbrief stehen:

Ich ermutige euch, Geschwister: Stellt euch nicht dieser Welt gleich, schwimmt nicht mit demStrom, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes. So wird klar, was Gottes Wille ist: Das Gute, das, was Gott Freude macht, das Vollkommene. Und ich sage einer jeden und einem jeden von euch: Überfordert euch nicht bei dem, wofür Ihr euch einsetzt, achtet auf eure Grenzen und bleibt maßvoll. Denn Gott hat jedem und jeder ein bestimmtes Maß an Kraft ausgeteilt, im Vertrauen zu leben.

Es geht ums Leben, achten wir darauf. Gerade jetzt in der Passionszeit. Sieben Wochen – machen wir´s mit!